Editorial Text: xrg | Bild: rom

Basel, deine Beizen

Das Märzheft beschäftigt sich mit Basel, ausschliesslich. Basel mit all seinen Facetten, Basel mit seiner Pharma, seinen Wohnungen, seiner Kultur, seinen Kämpfen. Das Team "megafon" erkundet die Basler Strassen und spurtet am Schluss in extremis auf den letzten Zug.

Die Sportgruppe megafon stolpert viel zu spät aus der legendär-schummrigen «Friends»-Bar und macht sich – anfangs noch übertrieben locker, dann immer schneller – auf den Weg zum Basler Bahnhof. «Ich hab’ doch gesagt, wir müssen die Zeit im Griff haben. Wenn wir den Scheiss-Zug um einsnullnull nicht erwischen, blüht uns eine Nacht in Basel.» Bleiben ist keine Option, zu laut ruft Bern aus der Ferne – «Easy, xarg». Und dann plötzlich nicht mehr so easy, als die ganze Gruppe um drei vor bei der Markthalle aus dem «Drämmli» spurtet. Jetzt werden die sprichwörtlichen Beine in die Hände genommen, Strasse nach hinten, irgendwie rein in den Bahnhof, irgendwie noch grad so auf den Zug. Auf den Zug zurück nach Bern.

Einen Abend lang hat sich das m*-Kollektiv den Strassen Basels ausgesetzt. Ist herumgeirrt, hat im «Hirschi» zwischen Pop-Folklore-Plakaten linker Idole Pilz-Stroganoff gegessen, ist dann durch die Strassen, stockend die enge Treppe in der Off-Bar nach unten in den überfüllten Keller, eine achtköpfige Band hat Cumbia-Rhythmen in Party-Mitgröl-Manier serviert. Und dann konnte es noch nicht fertig sein, es musste noch was gehen. Beispielsweise ein «Absaggerli», eben in der «Friends»-Bar. Basel. Deine Beizen hätten uns fast über Nacht behalten. Und um dich geht’s in diesem Heft.

Ich glaube, ein Problem, von dem ich nicht weiss, wie das sonst wo aussieht, aber das sich in Bern aufdrängt, ist: Man kommt nie raus. Man bleibt hängen, mental und physisch, immer im Kuchen unterwegs. Bern, dein passendster Vergleich ist das bequeme Kissen, auf das man sich bettet, in dem man schlummernd versinkt und das einen gleichzeitig langsam erstickt. Dieses Heft ist ein Versuch aufzustehen, den Kopf vom Kissen zu erheben, sich umzuschauen. Was geht sonst wo eigentlich?

Und in Basel, da geht was! Genug, um die staubig im Regal liegende Tradition der megafon-Themenhefte zu reaktivieren – seit 2014 eingemottet. Ein Heft voll mit Basel. Beispielsweise Hip-Hop-Geschichte mit dem Basler CH-Rap-Altmeister «Black Tiger», der die meritokratische Hackordnung in der Basler Rap-Szene der 80er-Jahre, «Machsch nüt, bisch nüt», erklärt. Jetzt zu denken, Black Tiger sei jemals im Basler Kissen versunken, liegt falsch. Er erzählt von früher, von damals, als alles begann. Er führt von der Bronx über die Coupole in Biel nach Basel und spinnt dabei die Fäden von den Roots zur New-School.

Apropos New: Basel, neu sollst du werden. Von der ollen Industrie- und Hafenstadt auf zu neuen Anglizismen. Basel, aus dir soll ein Life-Science-Cluster werden. Basel, du sollst schön gemacht werden für die Pharma. Basel, Aufwertung, das wird teuer für deine Bewohnenden. Wie eine Organisation gegen diese Entwicklung von unten aussehen kann, wie man der Aufwertung, dem Abrissbirnen-Betonmischer-Kreislauf entgegenwirken kann – davon erzählt die Titelstory des Netzwerks «Recht auf Stadt», einer Gruppe die mit den «Häusertreffs» den Boden bietet, auf dem Widerstand von unten gegen überteuertes Wohnen wachsen kann. Widerstand in Basel wird auch gegen den Klimawandel geleistet, das Kollektiv «Collective Climate Justice» organisiert seit mehreren Jahren Aktionen zivilen Ungehorsams. Und Basel: Wenn’s um dich geht, dann geht’s um Pharma – dazu mehr im Multiwatch-Text.

Und sowieso: Danke Basel, hast du uns aufgenommen. Danke Basel, haben deine Menschen, deine Gruppen, deine Kollektive und deine Beobachter*innen sich Zeit genommen, uns von dir zu erzählen. Danke, haben uns deine Beizen einen Abend lang beherbergt und danke, hast du gezeigt, dass es sich lohnt, zwischendurch den Kopf vom Kissen zu heben und Tellerränder zu überblicken. Bis bald. Wir kommen wieder, wenn sich der Muskelkater vom Spurt an den Bahnhof gelegt hat.