Interview mit Anna vom CCJ Text: xrg | Bild: fuh

Nach der Aktion

Anna von Collective Climate Justice erzählt im Interview, wie sie die Aktionstage wahrgenommen hat und was danach passierte.

Erzähl kurz, wie du die Aktionen am Montag und Dienstag erlebt hast

Ich war an der Aktion in Zürich dabei. Dort ging es früh am Morgen los. Drei Gruppen kamen zum Hauptsitz der Credit Suisse am Paradeplatz – vor dem Haupteingang eine Gruppe, die sich in einer Sitzblockade, verstärkt mit Menschen, die sich an einer langen Kette angekettet haben, installiert haben. Sie hatten Bäume dabei, um den Wald zu symbolisieren, der aufgrund der Investitionen der Credit Suisse weltweit immer mehr abgeholzt wird. An der Seite der Bahnhofstrasse haben Greenpeace-Aktivist*innen grosse Fässer an die Türen angekettet und sich selber an den Fässern. Und zuhinterst, beim Eingang an der Bärengasse, kam eine Gruppe mit Fahrrädern, die vor den beiden Mitarbeiter*inneneingängen die Fahrräder aneinander und sich an die Fahrräder gekettet haben.

Wie war die Stimmung?

Die Stimmung war super, es waren alle sehr froh darüber, dass man ungestört ankommen konnte. Ab und zu gab es zwei, drei kleine Diskussionen mit dem Securitas-Personal vor Ort. Die Menschen haben Parolen gerufen und waren guten Mutes. Es ging eigentlich schon darum, wie wir das Mittagessen zum Paradeplatz holen könnten.

Hat sich die Stimmung geändert, als die Polizei auf den Platz kam?

Ja, als der riesige Polizeitrupp in Zweierreihen einmarschiert ist und es immer mehr wurden, ist die Stimmung schon ein bisschen gekippt. Von einem entspannten Sich-Freuen, dass man gut angekommen ist, hin zu einem «Was-kommt-denn-jetzt?». Doch trotzdem haben die Menschen nicht an Entschlossenheit vermissen lassen und sind mega mutig und entschlossen geblieben und haben sich gesagt, wir blockieren diese Eingänge, weil uns dieses Anliegen wichtiger ist, als die Anordnung, den Platz zu verlassen.

Wie ist der Polizeieinsatz danach abgelaufen?

Während der Räumung war die Situation sehr unübersichtlich, die Polizei hatte ein grosses Gebiet abgesperrt, so dass auch die vielen Medien, die bis zu diesem Zeitpunkt auf dem Paradeplatz waren, nicht mehr so gut auf das Geschehen gesehen haben. Während der Räumung auf der Seite der Bahnhofstrasse wurde eine Sympathisantin, die gefilmt hat und Parolen gerufen hat, ziemlich ruppig und brutal festgenommen, gefesselt und in ein Auto verfrachtet. Bei der Fahrrad-Gruppe dasselbe Spiel; Es wurde gross abgesperrt, kaum Medienschaffende mit Kameras kamen in die Nähe. Mit schwerem Gerät wurden die Ketten aufgeflext und es gab einige bedrohliche Situationen, auch wenn ich es im Grossen und Ganzen als einigermassen überschaubar erlebt habe.

Kannst du dir erklären, weshalb die Polizei in Zürich und Basel mit einer solchen Härte gegen Aktivist*innen vorging?

Nein überhaupt nicht. Die Grösse des Einsatzes, die Dauer des Gewahrsams und das Verhalten der Staatsanwaltschaft kamen für uns sehr unerwartet. Wir empfinden den Einsatz als unverhältnismässig. Es waren so viele Polizist*innen vor Ort, für Aktivist*innen, die sich absolut passiv verhielten und keinerlei aktiven Widerstand geleistet haben. Es gab auch mehrere Fälle von Grenzüberschreitungen von Seiten der Polizei – Im Polizeigewahrsam gab es teilweise sehr lange kein Essen, Menschen mussten sich mehrfach nackt ausziehen, wurden beleidigt und es kam zu übertriebener Gewalt von Seiten der Polizei – sie wirkten überfordert. Auch die lange Zeit auf dem Posten, das Ausreizen dieser 48 Stunden (Maximaldauer für Polizeigewahrsam, Anm. d. Red), war etwas völlig Neues. Wenn die Staatsanwaltschaft angibt, das sei, weil das Verfahren so kompliziert und die Ermittlungen so schwierig wären, klingt nach Vorwand für etwas, das in Wirklichkeit eine Erziehungs- und Abschreckungsmassnahme hätte sein sollen.

Es gab Solidaritätsbekundungen nach den Verhaftungen. Was war für dich besonders eindrücklich?

Einige, im Klimastreik aktive, Menschen waren auch im Gefängnis, weil sie an unseren Blockaden teilgenommen haben. Die anderen der Klimastreikgruppe dachten sich trotz Medienartikeln, die solch radikale Aktionsformen als schädlich für die Bewegung klassifizierten: «Nein, wir lassen uns als Bewegung nicht spalten». Die Gruppe hat am Dienstag und am Samstag Soli-Kundgebungen organisiert. Es ist schön zu sehen, dass eine grosse Bewegung findet: «Solche Aktionen sind richtig und wichtig und wir lassen solchen Spaltungsversuchen keine Chance».

Was gab es am Dienstag sonst noch für Aktionen?

Am Dienstagmittag gab es eine Solikundgebung vor dem Gefängnis in Zürich. Am Abend gab es eine, von der Klimastreik Mitgliedern organisierte, Demo. Die ursprünglich angedachte Route führte vom Helvetiaplatz zum Gefängnis. Spontan entschied man sich dazu, dass man auf den Paradeplatz will, um den Protest auch inhaltlich wieder dorthin zurückzutragen, wo er angefangen hat. Das wurde leider von der Polizei verhindert. In Basel standen Menschen über fünf Stunden in einer Menschenkette vor den Filialen der UBS und der CS am Bankverein. Die Aktivist*innen verteilten Essen und Flyer und waren nochmals in der Stadt präsent mit dem Anspruch, sich nicht mundtot machen zu lassen von der Repression. Die Bankfilialen mussten geschlossen bleiben.

Alles in allem: Waren die Aktionen ein Erfolg?

Ja, persönlich würde ich sie auf jeden Fall als Erfolg werten. Wir haben die Diskurseröffnung geschafft – Viele Medien haben sich die Fragen gestellt, von denen wir wollten, dass sie in der Öffentlichkeit gestellt werden. Nämlich: «Was ist die Rolle der Banken in der Klimakrise? Sind sie ein Hebel in der Schweiz, um diese Krise anzugehen?» Wir haben in der gesamten Klimabewegung einen weiteren Schritt gemacht. Ich bin sehr gespannt, was da weitergeht.