Infoläden Text: ROMP Infoladen | Bild: Inez

Politpunk im Tourismusnest

Den Infoladen ROMP in Luzern gibt es seit 1989. Eine kurze Geschichte über Politpunk, Besetzungen, Küchenschränke, Digitalisierung und Gentrifizierung.

Infoläden gibt es in fast allen grösseren westlichen Städten dieser Welt. Je nach Land oder Stadt hat jeder Infoladen ein etwas anderes Erscheinungsbild oder eine andere Struktur. Manche existieren als Laden, als Café, als Treffpunkt, als Bibliothek oder schlicht als offenes Büro. In anderen, wie im ROMP, mischt sich alles und es kann zudem noch gutes Vinyl erworben werden.

Treff- und Ausgangspunkt

Allen Infoläden gemeinsam ist jedoch das linke Gedankengut. Es fi nden sich dort allerlei Infos zu Themen, welche von bürgerlicher Seite entweder totgeschwiegen, völlig falsch wiedergegeben oder aufs Gröbste diffamiert und bekämpft werden. So haben es sich Infoläden zur Aufgabe gemacht, genau diese verschmähten Themen, Lebensformen und Ansichten zu sammeln und zu verbreiten. Infoläden bieten immer auch einen Platz als Treffpunkt – zum Beispiel als Büro für Organisationen sowie die Planung von Aktionen, Demos, Diskussionen oder Vorträgen. Hinzu kommt in vielen Infoläden die Funktion als Bibliothek und Archiv. Hier fi nden Medien zu den Themen wie Feminismus, Anarchie, Migration, Asyl, Autonomiebewegung, Besetzungen oder Globalisierung ein Zuhause. Es ist naheliegend, dass solche Läden von freiheitsliebenden linken Menschen betrieben werden. Beim ROMP ist das nicht anders. Infoläden dienen vielen Leuten auch als erste Anlaufstelle in neuen Städten. So zum Beispiel bei mir, als ich in New York ankam und bloss die Adresse eines «Anarchistic Info Bookshop» hatte. Am selben Abend war ich schon einiges schlauer, was die Stadt angeht. Die Läden sind alsoimmer auch Treffpunkt und Anlaufstelle für stadtfremde Leute, Linke, Punks, Normalos, Studis, oder Arbeiter*innen. Das ist gerade in einer Stadt wie Luzern, die nur so von Tourist*innen überrannt wird und in deralles zum Wohl der Tourismusindustrie getan wird, wichtig. Hier können Alternativen aufgezeigt werden.

Odyssee durch Luzern

Die Geschichte um die Entstehung des Infoladens ROMP fällt in eine Zeit, in der im katholischen Luzern der Wunsch nach selbstbestimmten Strukturen wieder zu leben begann. Sie ist auch eng mit dem als Namensgeberin fungierenden Politpunk Underground Zine «ROMP» verbunden. Das ROMP-Zine entstand 1989 und war anfänglich ein eher musikorientiertes Hardcore-Punk-Underground-Zine – und wird somit dieses Jahr 30. Die damaligen ROMP-Menschen waren auch in der neu entstehenden Boa – einem von 1989 bis 2007 bestehenden Kulturzentrum – aktiv. Weil die damaligen Römplis auch einen kleinen Vertrieb mit Magazinen und Platten betrieben, kam bald der Wunsch nach einem festen Standort auf. Aus der ursprünglichen Idee einer Volksbibliothek in der frisch entstandenen und sich entwickelnden Boa, wurde aber nichts. Wir bekamen bloss einen Raum in der Grösse eines Küchenschranks zugesprochen. Also mussten wir uns anderweitig um ein Lokal bemühen. Zwei Jahre später entstand dann an der Denkmalstrasse 17 der Infoladen ROMP als unabhängiges Nonprofi t-Kollektiv – hauptsächlich bestehend aus Schreiber* innen fürs «ROMP». Als Untermieter des Fairtradeladens «Dänk e mol» gingen zur Finanzierung des Unterhalts nebst Büchern und diversen Magazinen auch Schallplatten und Kassetten des ursprünglichen Vertriebs ins Sortiment des Ladens über. Immer mehr entwickelte sich dabei der Ort von einer linken Bibliothek zu einem Politpunk Plattenladen. Anscheinend war das ein grösseres Bedürfnis. Die Begeisterung an den politischen Schriften hielt sich in Grenzen. Und wir waren entsprechend auch hauptsächlich für unsere grosse Auswahl an – teilweise vergriffenen – Tonträgern bekannt. Daneben gab es in den Sommermonaten Terrassenaktivitäten wie Antifa-Cafés, Vorlesungen, Mini-Konzerte und Mini-Bars. Eine zusätzlich beliebte Dienstleistung war die alternative «Tourist-Information » zum Auffi nden der Squats. Vor allem in der Boa veranstalteten wir auch regelmässig Konzerte und politische Veranstaltungen. Das Programm des Ladens war so vielseitig wie die öfters wechselnden Gesichter. In der Regel umfasste das Kollektiv fünf bis acht Personen, welche mitunter auch mit dem ROMP-Zine verbandelt waren. Im Mai 1999 überraschte uns dann der endgültige Konkurs des Fairtradeladens, welcher auch unserem Laden ein unverhofftes Ende bereitete. Denn die Eigentümerin ging auf unseren Wunsch, das gesamte Lokal zu mieten, nicht ein. Den Vorzug erhielt eine alternative Werkstätte. Somit stand der ROMP-Laden erstmals auf der Strasse. Im Squat am Kaufmannweg fand sich ein notdürftiges Hinterzimmer. Doch nebst Platzmangel – das ROMP kriegte damals auch noch eine Druckmaschine – wollte uns die Hinterzimmermentalität gar nicht gefallen. Ein Infoladen soll allen Menschen zugänglich sein und nicht nur solchen aus der Szene. Wir machten uns also schon bald wieder auf die Suche nach einem bezahlbaren Lokal. 2001 fanden wir – gleichzeitig mit der Räumung des Squats – dann an der Steinenstrasse 17 ein geeignetes, super geiles Lokal. Nach viel Handarbeit war es 2003 bezugsbereit. Dem DIY Punk treu geblieben Im Laufe der Jahre erweiterten wir unser Sortiment um einige Artikel: Fairtrade Kaffee von «Rebel Dia», Waschnüsse, Mooncups, Nieten, Internetzugang und natürlich auch Bücher, da wir zu diesem Zeitpunkt auch als Buchhandlung galten. Musikalisch blieb sich der Laden treu. Nebst Ska, Hip Hop, Experimentellem oder World Music macht Punk und Hardcore noch immer den Grossteil des Angebots aus – alles aus dem nichtkommerziellen Bereich mit Texten, die uns nicht auf den Sack gehen. Sexismus, Rassismus oder sonstige Diskriminierung haben in unseren Plattengestellen nichts verloren. Der Ursprung des ROMP lag defi nitiv im Politpunk, welcher den Laden auch heute noch merklich prägt. Da der ROMP von Anfang an immer als Platten- und Infoladen funktionierte, war und ist dieser selbsttragend. Das trug sicherlich seinen Teil zum langjährigen Bestehen bei. Auch, dass der fi nanzielle Druck nicht auf den einzelnen Leuten des Kollektivs lastet, ist ein wichtiger Aspekt. Die Leute werden nicht so schnell durch Nebensächlichkeiten ausgebrannt. Trotz dieser sehr angenehmen Situation gab es auch im Kollektiv immer wieder Wechsel. Mit jeder neuen Person kamen auch wieder neue Musikstile, Ansichten und Infos in den Laden, was auch diesen veränderte, wobei an den Grundfesten des DIY Punk nicht gerüttelt wurde.

Kein Konsumzwang im Tourismusmoloch

Für den Fall, dass jemand vielleicht das Gefühl hat, wir würden uns an euch eine goldene Nase verdienen: Unsere Arbeit – Bestellungen, Ladenschichten, Infos bereitstellen oder Infoveranstaltungen organisieren, geschieht unentgeltlich. So funktioniert – wegen des 3-jährigen Unterbruchs zur Suche eines günstigen Lokals – der ROMP nun schon seit 27 Jahren. Leider mussten mit dem Siegeszug der Digitalisierung und aufgrund akuten Platzmangels die klassischen Papierarchive weichen. Heute werden lediglich lokale Aktivitäten noch archiviert. So entwickelte sich der Laden mehr und mehr zu einem Treffpunkt und zu einem der letzten Orte ohne Konsumzwang in der Tourismusstadt Luzern. Es ist schön, dass die Beteiligten und viele Leute durch ihre Präsenz zeigen, dass Luzern ein solches Projekt braucht. Viele aktuell im Laden geführte Diskussionen drehen sich um Gentrifizierung und den Erhalt bestehender Strukturen. Denn die Stadt und die Immobilienbesitzer* innen versuchen das Quartier um die Steinenstrasse aufzuwerten, und damit zu zerstören. Darüber berichtete das ROMP-Zine auch in den letzten vier Ausgaben. Wir sind keine Indoktrinator* innen und auch keine Terrorist* innen. Aber wir sind auch keine Profi -Verkäufer*innen. Also kommt mal auf ein Café, Bier, Cola oder die eine oder andere Rille oder Buchstaben vorbei. Unsere Veranstaltungen werden noch ganz old school per Flyer angekündigt. Also auf bald!