Nachrichtendienstgesetz Text: sir | Bild: omg & rex

Geheimnis soll Geheimnis bleiben

Am 9. September 2022 endete die Vernehmlassung zur Revision des Nachrichten-dienstgesetzes. Mit der geplanten Gesetzesrevision werden die Massnahmen, die der Nachrichtendienst (NDB) zur Beschaffung von Daten und Informationen ergreifen darf, ausgeweitet. So dürfte zukünftig etwa in Handys oder Computer eingedrungen werden, ohne eine Bewilligung des Bundesrates. Besonders folgen-reich ist diese Aufweichung des Gesetzes für Medienschaffende, Anwält*innen und politische Aktivist*innen. Laut Bundesrat soll mit der Gesetzesrevision die Aufklärung sogenannter «gewalttätig extremistischer» Aktivitäten erleichtert werden.

Der Bundesrat will mit diesen Massnahmen die Früherkennung und Verhinderung solcher «gewalttätig extremistischer» Aktivitäten er-leichtern. Potenziell betroffen von dieser Gesetzesrevi-sion sind Organisationen und Personen, die «demokra-tische und rechtsstaatliche Grundlagen ablehnen und zum Erreichen ihrer Ziele Gewalttaten befürworten, fördern oder verüben». Mit dieser schwammigen For-mulierung wird die Überwachung der Bevölkerung auf Kosten von Grundrechten weiter vereinfacht. Da es kei-ne rechtlich bindende Definition von «gewalttätigem Extremismus» gibt, kann der Nachrichtendienst (NDB) den Begriff weitgehend willkürlich auslegen. Wie schon beim Fichenskandal in den 1980er Jahren, stehen auch heute vornehmlich linke Organisationen, Politiker*in-nen und Aktivist*innen im Fokus des NDB. Die Auf-sichtsbehörden kritisierten den NDB bereits mehrfach für seine Datensammelpraxis. Mehrere unabhängige Untersuchungen zeigten, dass der NDB nach wie vor mehr Daten sammle, als es das Gesetz zulässt. Mit der geplanten Revision des Nachrichtendienstgesetzes würde diese Praxis weiter vereinfacht und die Sankti-onsmöglichkeiten der Aufsichtsbehörden zunehmend eingeschränkt.In ihrer Stellungnahme zur Revision des Nach-richtendienstgesetzes warnen die Demokratischen Ju-rist*innen Schweiz (DJS) (1) zudem vor einem sogenann-ten «chilling effect», wonach die Rechtsunterworfenen aus Angst vor rechtlichen Konsequenzen ihre Grund-rechte, wie etwa die Versammlungs-, Vereinigungs- und Meinungsfreiheit, nicht mehr ausüben würden. Die zu vage Formulierung lässt den rechtsanwenden-den Behörden einen grossen Spielraum, so dass die Einschätzung legaler Folgen für politische Aktivitäten erschwert wird. Diese Form der Abschreckung ist eine implizite Beeinträchtigung der politischen Rechte und verstösst somit gegen zentrale Prinzipien der Demokra-tie. Politisches Engagement wird dadurch zum rechtli-chen Risiko und somit auch zu einem Privileg, das nicht allen Menschen gleichermassen offen steht. Zudem wird mit der Aufweichung des Quellen-schutzes, die Teil der geplanten Gesetzesrevision ist, die Arbeit unabhängiger Journalist*innen erschwert. Der Quellenschutz schützt journalistische Quellen: Journalist*innen sind demzufolge nicht dazu verpflich-tet, Informationen über Quellen und Informant*innen herauszugeben. Laut dem europäischen Gerichtshof für Menschenrechte stellt der Quellenschutz einen Grundpfeiler der Pressefreiheit dar. Er ist daher nicht als Privileg für Journalist*innen zu sehen, sondern vielmehr als Mittel, um das Recht auf Information zu schützen. Wird Journalist*innen das Recht auf Zeug-nisverweigerung abgesprochen, wird den Medien ihre Rolle als vierte Gewalt genommen, da Informant*innen und Whistleblower*innen davon abgehalten würden, Informationen an die Presse weiterzugeben, die in ge-samtgesellschaftlichem Interesse lägen und eine unab-hängige Berichterstattung ermöglichten.Nach Beendigung der Vernehmlassung der Geset-zesrevision befindet nun das Parlament und gegebe-nenfalls das Stimmvolk über die Gesetzesänderung. 

(1) Weitere Informationen zu den Demokratischen Jurist*innen Schweiz auf https://www.djs-jds.chEin