Solidarische Landwirtschaft Text: flow | Bild: lka

Erde unter den Fingernägeln

Wird Solidarische Landwirtschaft die Welt retten? Nicht unbedingt, meint unser Autor. Beim meditativen Mitmachen im Gemüsegarten wird uns aber ein Gefühl für unser Essen wiedervermittelt.

Jäten. Die einen behaupten, es sei so etwa das Meditativste, das es auf der Welt gäbe. Mir kann es eigentlich gestohlen bleiben. Ich mache es trotzdem. Und zwar mit der Pendelhacke, bei der alle fünf Minuten die Hacke vom Holz fällt und ich sie wieder befestigen muss. Aber hey, alles Bio hier. Die Pendelhacke kannte ich noch nicht, mein Reich bestand bisher aus Terrakottatöpfen auf meinem Balkon. Da musste nichts gejätet werden – geerntet wurde aber auch nicht viel. Auf dem Acker von «TaPatate!» Im freiburgischen Wallenbuch muss dann schon etwas mehr rausspringen als die vierzehn Cherrytomätli Ende September von meinem Balkon. Immerhin wollen knapp 100 Leute gerne jede Woche einen Sack voll Gemüse kriegen. Alle Teil dieser solidarischen Landwirtschaft – alle Teil einer besseren Landwirtschaft?

SoLaWi ist der letzte Schrei. Kein Wunder bei Bäuer*innen, die durch Knebelverträge mit Grossverteilern an den Rand ihrer Existenz gedrängt werden. Alle paar Monate lesen wir wieder von Trinkwasser, das mit Pestiziden und anderem Scheiss überlastet ist und uns und unserer Umwelt den Garaus macht. Der Boden ist am Verarmen, die Biodiversität sinkt. We are doomed. SoLaWi soll’s richten. Ok, das ist ein bisschen einfach gestrickt. Aber die Idee ist trotzdem schön: Produzent*innen und Konsumierende spannen zusammen, ohne Zwischenhändler*innen, die aus der natürlichsten aller Beziehungen den letzten Tropfen Profit pressen wollen. Manche Projekte, wie TaPatate!, nehmen das Heft gleich selber in die Hand und bauen meist auf gepachtetem Land Gemüse für die ganze Genossenschaft an. Die Mitglieder zahlen einen Jahresbeitrag und helfen ab und zu auf dem Feld mit. Andere, wie SoliTerre in Bern oder der Mooshof in Lenzburg, setzen auf Flächenpauschalen in bestehenden Betrieben. Was auf gewissen Anbauflächen wächst, geht an die Genossenschaft; der Rest vertreibt der Betrieb unabhängig. Bei SoLaWi ist für jeden etwas dabei – nur Gurken im Winter kannst du dir gleich abschminken.

Es ist Frühling. Ich setze mich in die Morgensonne und rüste Lauch. Aufwärmen nach der kalten, stündigen Velofahrt ins Grüne. Dann lockere ich mit der Hacke den Boden auf – 30 Meter hin, 30 Meter zurück. Dünger drauf, dann von Hand Salat anpflanzen. Immer brav Abstand halten – vegetable distancing, haha. Nach 20 Metern gehen die Setzlinge aus. Jemand hat wohl falsch gezählt oder gerechnet. Es muss nachbestellt werden, sonst mangelt’s dann in ein paar Wochen im Körbchen. Es ist schöne Arbeit, schweisstreibende Arbeit, ok, ich gebe es zu, meditative Arbeit. Aber auf dem Feld nebenan verrichtet der Traktor die gleiche Arbeit auf konventionelle Art schon ein kleines bisschen effizienter. Gefühlte hundert Mal effizienter. Effizient heisst aber eben auch: Nicht so umweltschonend, nicht so nachhaltig, nicht so nice.

Manchmal wirkt SoLaWi ein bisschen verzweifelt. Was sollen wir hundert fröhlichen Seelen schon Grosses ausrichten im Land der Kuhscheisse? Wie Verrückte klauben wir die Bohnen von den Pflanzen, während das Kilo im Coop dreizehn Franken kostet. Die Lagerzwiebeln für den Winter tragen meinen Schweiss, den ich bei der Ernte in der Mittagshitze aufs Feld tropfe. Für die Tomaten – in der Migros kriegst du ein Kilo für eine Zehnernote – baue ich einen halben Tag lang das Gewächshaus um. Sie sollen schliesslich schön wachsen. Von Spargeln wollen wir gar nicht reden – das tut sich doch keine*r freiwillig an. Und trotzdem löst SoLaWi eben auch dieses nice Gefühl aus. Schrebergartenfeeling aber vernünftig, mit Ertrag, mit Beitrag für eine bessere Welt und nicht bloss fürs eigene Wohlbefinden.

Mitten in den Sommerferien ein Infomail: Das Unkraut wuchert, es geniesst den geilen Sommer genauso wie wir unsere Badehosen im Marzili. Nur leider ist niemand da, der jätet. Die Rüebli sind in Gefahr. Den Randen geht’s an den Kragen. Spurten wir jetzt nicht, wird’s ein spärlicher Winter. SoLaWi heisst eben nicht nur gemeinsam Verantwortung zu übernehmen. Es heisst auch: Wissen über die landwirtschaftlichen Zusammenhänge und Probleme anschaulich vermitteln. Ein bisschen «back to nature» ist auch dabei. Das tut uns Wohlstandsverwahrlosten ohnehin gut.