«Ich liebe dich». Auf Deutsch wird der Satz in den allermeisten Fällen Liebespaaren zugeschrieben. Es ist, als hinge um den Satz «Ich liebe dich» ein Reservationskärtchen, auf dem steht: nur für Paare. Manchmal will ich es wegreissen, aber meine Sozialisation ist stark. Es fühlt sich noch immer komisch an, «ich liebe dich» zu meinen Freund*innen zu sagen. Auch wenn ich mir zu 100% sicher bin, dass ich sie liebe. Auf Englisch gehts manchmal. Wie absurd.
Vieles, was wir über unser gesellschaftliches Verhältnis zur Liebe wissen müssen, ist sowieso schon in der Sprache drin. Das Wort «Paar» beschreibt ja genau genommen einfach, dass es zwei gibt. Was erstens auch auf eine Freund*innenschaft zutreffen könnte, also eine Freund*innenschaft zu zweit, und zweitens davon ausgeht, dass romantische Beziehungen nur zu zweit auslebbar sind. Die allgemeinen Assoziationen mit «Liebe» sind etwa so vielfältig wie das Resultat einer beliebten Suchmaschine: weisser dünner Mann, weisse dünne Frau, rotes rundes Herzchen.
Kennt ihr diese Männershirts, wo Braut und Bräutigam darauf abgebildet sind und darunter steht «Game Over»? Ha. Ha. Die Pointe, dass in einer Ehe alles schrecklich wird für die armen Männer, ist besonders ironisch, wenn wir bedenken, dass in der Schweiz sexualisierte Gewalt in der Ehe erst seit 1992 strafbar und erst seit 2007 ein Delikt ist. Gewalt an Frauen in Beziehungen ist so häufig, dass das eigene Zuhause statistisch gesehen die grösste Gefahr für eine Frau darstellt. Happy Valentinstag vom Patriarchat!
Wenn wir Queers ganz, ganz brav sind, dürfen wir sogar auch mitmachen. Wir müssen bloss unsere Normalität beweisen. Freundlich bleiben, dem traditionellen Geschlechterbild entsprechen undmöglichst nah an die Bilder der Suchmaschinenresultate herankommen. Weisse dünne Frau, weisse dünne Frau, rotes rundes Herzchen. Trans Menschen sind von der Liebe ausgeschlossen. Erst recht, wenn sie sich nicht binär verorten. Ausnahmeregelungen gibt es für die, die trans normal sind. Ausserdem funktioniert die Erfindung Valentinstag nur, indem man die Existenz von Menschen auf dem asexuellen und aromantischen Spektrum leugnet.
Wir sind hier beim Megafon. Ich muss euch also nicht erzählen, dass Valentinstaghauptsächlich von denjenigen Industrien populär gemacht wurde, die an dem Tag Geld machen können. Könnte mit dem Valentinstag nicht Geld gemacht werden, hätten wir keine Ahnung, dass es ihn gibt. Es wäre einfach der Namenstag eines Heiligen. Wer von uns würde Ostern mitkriegen, wenn dazu nicht Dinge verkauft und gekauft würden?
Was steht also auf der To-do-Liste von uns antikapitalistischen Spielverderber*innen? Romantische cis hetero Liebe Scheisse finden? Und Blumen und Süssigkeiten auch? Gegenvorschlag: Wir setzen uns dafür ein, dass die Konzepte von Liebe in alle Richtungen vielfältiger gedacht werden. Jeder Mensch soll die Freiheit haben, zu jedem Zeitpunkt seines Lebens Formen der Liebe konsensuell leben zu können, ohne dass Normen ihn daran hindern oder dazu zwingen. Dieser Vorschlag ist leicht zu romantisieren – Liebe für alle, Herzchen-Emoji – Aber ich glaube, wir haben Grund, wütend zu sein. Ich bin wütend darüber, wie viel Gewalt und Sexismus in cis hetero Beziehungen normalisiert wird. Ich bin wütend darüber, dass ich für die Ehe für alle weibeln muss, während ich eigentlich rechtliche Absicherung für jegliche Formen des Zusammenseins will. Seien wir wütend darüber, dass uns das heteronormative, rassistische Patriarchat seit Jahrhunderten vorschreibt, welche Liebe etwas wert ist und welche nicht.
Was wir zusätzlich zu unserer Liebe tun können, ist: Sie in unseren Communities so leben, wie wir es für richtig halten. Feiern, dass wir lieben können, dass Lieben nicht immer klar definierbar ist. Das Reservationskärtchen wegreissen.