Pöbeln Text: lea

Wege zum Unglück

Als Kind war ich süchtig danach, heute ziehe ich es mir wieder rein; wenn auch mit kritischer Distanz. Denn die deutschen Telenovelas produzieren nicht nur heteronormative Steoreotype, sie richten noch einiges mehr an Schaden an.

Früher lief bei uns zuhause jeden Mittwochnachmittag der Fernseher. Unter dem ZDF-Logo kämpfte ein weisses Pärchen – er reich und an der Führungsspitze, sie angestellt und einkommensschwach – um ihre Liebe. Im einwöchigen Rhythmus durfte ich dem Pärchen, gemeinsam mit meiner Mutter, beim Leiden und Lieben zusehen. Es wurde lange gelitten und nur zum Ende der Serie noch kurz geliebt.

Die Fernsehserie war der Startschuss der ersten deutschen Telenovela «Wege zum Glück».

Meiner Mutter reichte das Drama nach
einer Staffel,

ich setzte mein Vergnügen fort. Nach Bianca folgten Julia, Nina, Luisa, Nora, Alisa, Hannah, Lena, die alle für ihre grosse Liebe kämpften. Dazu gehörten auch böse Mütter, verlogene beste Freundinnen, strenge Väter, Morde und Affairen. In ihrer aller Mitte befand sich die (bis auf zwei Ausnahmen) blonde, junge, gutherzige Frau, die nur eines wollte:

Den Weg zum Glück finden.

Natürlich schämte ich mich im Nachhinein für diese jahrelange Sucht, die sich über meine Kindheits- und Jugendjahre erstreckte, und über deren Inhalt ich mich sehr eingängig mit meinen Freundinnen unterhalten hatte. Später konnte ich mir meine Telenovela-Erfahrung in feministischen Argumentationen durchaus zu Nutze machen. Die patriarchalen Strukturen wurden einem dort quasi auf dem Silbertablett serviert.

Da ich mittlerweile etwas weniger streng mit mir bin, habe ich mir kürzlich wieder ein paar Folgen der ZDF Telenovela reingezogen (und seither noch nicht damit aufgehört). Es sind Folgen von 2009, in ihrem Zentrum stehen Alisa und Christian, – er reich, sie arm und verschuldet, aber immer gut gelaunt. Ich war mir vollkommen im Klaren darüber, was mich erwartete. Dennoch hatte ich bisher einen zentralen Punkt nicht erkannt:

Die Serie handelt eigentlich fast ausschliesslich von Gewalt an Frauen.

Die wohlhabende Mutter wird von ihrem Mann davon abgehalten, ihre Traumata aufzuarbeiten oder ihren Kindern davon zu erzählen. Die Sekretärin und ihre Tochter werden vom Ehemann/Vater tyrannisiert und kontrolliert, was in physischer Gewalt endet. Die Frau des Bösewichts, ein alkoholkrankes Model, wird von diesem ununterbrochen gegaslightet: Wann immer sie eine Affäre von ihm aufdeckt, überzeugt er sie davon, sie sei verrückt. Die böse Verlobte des Protagonisten wird von ihrem Arzt dafür verurteilt, dass sie ihre Schwangerschaft abbrechen will.

Die Gewaltstorys in der Serie sind mühsehlige Nebengeschichten, die dem Ganzen ein bisschen Pepp und natürlich Dramatik verleihen sollen. Die Gewalt an Frauen gehört zur deutschen Telenovela wie die blonden Haare zur Protagonistin. Ist die betroffene Frau dazu noch böse, wird die Gewalt auch nicht als solche dargestellt.

«Geschieht ihr recht»

steht in einem der Kommentare auf Youtube.

Die Zeit der deutschen Telenovelas ist (für den Moment) abgelaufen. Und das ist gut so. Diese Hass-Kolumne ist deshalb vielleicht auch eher ein weiterer Realitätscheck für mein jugendliches Ich. Manchmal ist es gar nicht schlecht, das alte Zeugs hervorzuholen. Es in seiner ganzen Hässlichkeit zu betrachten um dann in die derzeitige Popkultur zu blicken, wo Gewalt an Frauen oft immer noch unkritisch reproduziert wird, anstatt dass eine Auseinandersetzung damit stattfindet.

Also Augen auf!