Pöbel Text: jin | Bild: leo

Fuck Sprachpflege

Die Sprachpflege basiert auf der Annahme, dass Sprache verfällt, anstatt sich zu wandeln. Doch Sprachwandel ist ein natürlicher und notwendiger Prozess: Sprache entwickelt sich weiter, weil sie sich an gesellschaftliche Veränderungen anpasst. Sie reflektiert die Realität ihrer Sprecher*innen und ist eng mit sozialen Entwicklungen verknüpft. Politische und kulturelle Strömungen prägen den Wortschatz – sei es durch geschlechtergerechte Sprache, den Verzicht auf diskriminierende Begriffe oder die Anerkennung von Geschlechtervielfalt. Auch Migration und Mehrsprachigkeit bereichern den alltäglichen Sprachgebrauch, indem fremdsprachliche Einflüsse übernommen und neue Begriffe etabliert werden. Wertewandel und gesellschaftliche Trends verändern ebenfalls die Sprache – etwa durch die verstärkte Verwendung neuer Begriffe für moderne Lebensrealitäten.

Die Angst vor Sprachverfall als ideologisches Konstrukt

Kritiker*innen des Sprachwandels bemängeln häufig den Verlust grammatikalischer und orthografischer Regeln, die Verarmung des Wortschatzes oder die zunehmende Übernahme von Anglizismen. Sie kritisieren, dass die Ausdrucksweise durch verkürzte, angeblich unsaubere Sätze entstellt werde. Doch die Angst vor Sprachverfall ist nicht linguistisch begründet, sondern Ausdruck einer konservativen Wertedebatte. Die Vorstellung, Sprache habe einen idealen, zu bewahrenden Zustand, ist historisch unbegründet. Sprache war schon immer im Wandel – beeinflusst von gesellschaftlichen Entwicklungen, technologischen Neuerungen und kulturellen Einflüssen.

Da sprachliche Veränderungen oft mit gesellschaftlichen Entwicklungen einhergehen, wird der Begriff «Sprachverfall» häufig als versteckte Kritik an kulturellen Veränderungen verwendet. Ein zentrales Beispiel für diese Sprachdebatte ist der Widerstand gegen sprachliche Inklusion. So forderte die Initiative «Tschüss Genderstern!» das Verbot von Genderzeichen in amtlichen Dokumenten der Stadt Zürich. Die Initiant*innen argumentierten, diese Zeichen beeinträchtigten die Lesbarkeit, insbesondere für Menschen mit Lernschwierigkeiten oder für jene, die Deutsch als Zweitsprache sprechen. Wissenschaftliche Studien widerlegen diese Behauptung jedoch: Eine Untersuchung der Universität Gent (2022) konnte keinen negativen Einfluss geschlechtergerechter Sprache auf die Verständlichkeit nachweisen.

Der Wiederstand gegen gendergerechte Sprache ist oft weniger ein sprachliches als vielmehr ein politisches Problem: Er richtet sich gegen Diversität, soziale Gerechtigkeit und Inklusivität. Dahinter steht nicht selten der Wunsch, bestehende systematische, unterdrückende und patriarchale Strukturen aufrechtzuerhalten.

Sprachpflege als politisches Machtinstrument

Ein Beispiel für Sprachpflege als politisches Instrument bietet die Trump-Administration. Sie argumentiert, dass Begriffe wie «Diversity», «Transgender» oder «Climate Change» Ausdruck einer «woken» Ideologie seien, die die Gesellschaft spalte und konservative Werte untergrabe. In diesem Sinne nutzt die Regierung Sprache gezielt ideologisch, um bestimmte Themen zu verdrängen und eigene Narrative zu stärken. Die sprachliche Lenkung durch solche Sprachverbote führt dazu, dass Themen wie Gesundheitsgerechtigkeit, Minderheitenrechte oder LGBTQ+-Belange in staatlichen Institutionen weniger Beachtung finden. Diese Form der Sprachpolitik zeigt, wie Sprache gezielt manipuliert werden kann, um gesellschaftliche Gruppen unsichtbar zu machen und politische Agenden zu fördern.

Das Verbot bestimmter Begriffe hat Folgen: Wissenschaftler*innen und Aktivist*innen, die sich für soziale Gerechtigkeit oder Gleichheit einsetzen, werden in ihrer Arbeit eingeschränkt. Offizielle Publikationen vermeiden konkrete Begriffe, um nicht mit Förderkürzungen oder politischen Repressionen rechnen zu müssen.

Sprache entscheidet, welche Themen sichtbar sind und diskutiert werden. Wer Begriffe verbannt oder Sprachwandel aktiv bekämpft, beeinflusst gesellschaftliche Debatten und strukturelle Machtverhältnisse.

 

Alle unterstrichenen Begriffe befinden sich auf der Liste der Trump-Administration.