Täterschutz Text: lea | Bild: lka

Ein bisschen was ändern reicht nicht.

Seit fünf Jahren sind Studierende und Mitarbeitende der Uni Basel damit beschäftigt, von der Uni einen proaktiven Umgang in Fällen von sexualisierter Gewalt einzufordern. Die bisherigen Massnahmen wirken eher wie kleine Zugeständnisse, eine umfassende Veränderung fehlt.

Im November letzten Jahres publizierte das SRF Programm Kassensturz einen Beitrag zu sexualisierter Gewalt an der Universität Basel. Porträtiert werden im Beitrag eine Doktorandin und eine Studentin, beide erleben sexualisierte Übergriffe durch je einen Professor, von dem sie in hohem Masse abhängig sind. Beide erheben Beschwerde, bekommen zunächst von der Uni Basel keinen Rechtsschutz zur Verfügung gestellt. Und erhalten auch keine Akteneinsicht in die Ergebnisse der Untersuchung. Beide haben ihre akademische Laufbahn mittlerweile aufgegeben.

 

Die Uni schweigt

Die Intransparenz der Uni Basel zieht sich durch: Der Bericht von Kassensturz sollte nicht so einfach zu Stande kommen. Bereits 2020 verlangte die Redaktion Einsicht in den Untersuchungsbericht der beiden Fälle. Die Uni Basel weigerte sich, die Untersuchungen publik zu machen. Ein Gerichtsentscheid zwang die Uni schliesslich dazu, den Bericht zu veröffentlichen: Darin erfährt man, dass die beiden Professoren eine Abmahnung erhielten, ihre Stelle jedoch behalten konnten.

Über den Fall der Doktorandin wusste man bereits vor dem Kassensturzbericht. 2019 berichteten Medien darüber, weil sich die Betroffene an sie gewendet hatte. Das schlug Wellen an der Uni Basel: Studierende und Mitarbeitende fanden sich zusammen, um gegen das Verhalten der Uni vorzugehen. Sie kontaktierten die Stelle für persönliche Integrität, welche die Universität für ebensolche Fälle zur Verfügung stellt. «Aber die Stelle war zu dieser Zeit unbesetzt», sagen zwei Mitglieder des Kollektivs «Dulifera». Es ist das zweite Kollektiv, dass aufgrund der Vorfälle gegründet wurde. Als der erste Fall publik wird, gründete sich das Kollektiv «Empört euch!» aus dem später dann «Dulifera» wurde.

 

Studierende wehren sich

In Form eines offenen Briefes stellte «Dulifera» 2022 Forderungen an die Uni Basel. Darin forderte das Kollektiv etwa eine öffentliche Stellungnahme der Universität, die Erhöhung von Beratungsstellen, Präventionsmassnahmen, Transparenz sowie das Erstellen eines «Code of Conduct», also eines Verhaltenskodex für Dozierende. Und die sofortige Entlassung der beiden Professoren.

Während die betreffenden Professoren weiterhin an der Universität lehren und Arbeiten betreuen, kam die Universität der Forderung nach einem «Code of Conduct» nach. Darin verpflichtet sich die Uni zu Werten wie Offenheit und unterstreicht die Intoleranz gegenüber sexualisierten Übergriffen.

 

Alles beim Alten?

«Als dann der Kassensturzbericht 2024 herauskam, gab es eine erneute Welle der Empörung», sagen Klara* und Melanie* vom Kollektiv Dulifera, «auch weil wir vom zweiten Fall noch gar nicht wussten». Dass die Uni weiterhin geschwiegen und  den Untersuchungsbericht auch in einem zweiten Fall nicht herausgeben wollte, habe den Eindruck noch verstärkt, dass die Uni die Vorfälle vertuschen wolle. Ebenso bleibe der Eindruck, dass die Vorfälle zu wenig ernst genommen würden: «Der Schutz der Betroffenen ist offensichtlich nicht gewährleistet, die beiden Professoren sind immer noch da, auch ihre Namen wurden nicht bekanntgegeben», meint Melanie. «Freund:innen von mir sind nun auf der Hut, von wem sie ihre Arbeiten betreuen lassen, weil sie nicht wissen, um welche beiden Professoren es sich handelt.»

Dass die Universität zwar auf einige Forderungen reagierte, ihr bisheriges Verhalten aber nicht veränderte, bewegte «Dulifera» dazu, einen weiteren offenen Brief zu formulieren. Sie überreichten ihm am 8. März an die Universität. Darin kritisiert das Kollektiv, dass die Universität weiterhin Täterschutz betreibe: «Mit ihrer Entscheidung, eine Kündigung zu unterlassen, ist die Universität dennoch verpflichtet, entsprechende Massnahmen zu ergreifen, um Wiederholungsfälle zu unterbinden. Mit ihrer Passivität, dem Schweigen und der Abwesenheit von Transparenz ist sie an dieser Stelle ihrer Pflicht nicht nachgekommen.»

 

Prekäre Arbeitsverhältnisse und hohe Abhängigkeit

Als Antwort schreibt die Uni, dass sie dabei sei, verschiedene Massnahmen, wie eine verpflichtende Schulung in Hinblick auf Machtmissbrauch, zu prüfen. «Das wäre ja ganz gut», mein Melanie, «aber das bisherige Verhalten macht mich in Bezug auf solche Versprechen eher skeptisch». Die Antwort ist vor allem eines: sehr schwammig. Und klingt nicht unbedingt nach einer vertieften Auseinandersetzung.

Denn letzten Endes geht es um ein strukturelles Problem. Die Anstellungsbedingungen für Mitarbeitende des Mittelbaus sind oft prekär: Es gibt keine Festanstellungen, viele Überstunden und einen hohen Konkurrenzdruck, die Machtgefälle sind enorm. 2022 reichten Schweizweit 8000 Personen eine Petition ein, die forderte, die Anstellungsverhältnisse im Mittelbau der Universität zu verändern. Die prekären Arbeitsverhältnisse würden nicht nur mit der materiellen Situation zusammenhängen, sondern auch mit den hohen Abhängigkeiten von Professor:innen, heisst es darin.

«Es muss sich grundlegend etwas an den universitären Strukturen und an den Anstellungsbedingungen ändern», meint Melanie. Wann immer Menschen sich in einem Abhängigkeitsverhältnis befinden, sind die Gefahren für sexualisierte Gewalt besonders hoch.

«Aber die Uni geht kaum proaktiv vor», sagt Klara. Dieses Semester fand immerhin eine Veranstaltung zu sexualisierter Gewalt innerhalb der Universität statt. Sie wurde jedoch an einem Mittwochnachmittag angesetzt, nicht an einem Abend, «wir konnten nicht teilnehmen, weil wir um diese Zeit einen Kurs hatten, wie die meisten.»

Aber das Kollektiv bleibt dran.