Veranstaltung «Linke Medien- und Öffentlichkeitsarbeit» Text: xrg | Bild: daf

Aktivistische Medienarbeit – Eine Schulbuchgeschichte

«Wenn man mit Journis spricht, drehen die einem eh das Wort im Mund um»: Nicht vertrauenswürdig, nur aus monetären Anreizen handelnd und stets auf der Suche nach einer Story. Gegenüber Journalist*innen und Medien haben linke Aktivist*innen viele Vorbehalte und einige schlechte Erfahrungen. Um die Zusammenarbeit zwischen Aktivist*innen und der Presse zu verbessern und Vorurteile abzubauen, lud das megafon zum Workshop – und formulierte einen Leitfaden für Aktivist*innen.

Die beiden Journalist*innen Katharina Schipkowski und Erik Peter der deutschen Tageszeitung «taz» referierten am gutbesuchten Workshop zu linker Medienarbeit. Der Workshop fand am 2. Oktober im Frauenraum statt und sollte dabei helfen, Probleme zwischen Politmenschen und Pressemitarbeitenden explizit und überwindbar zu machen. Aus den Informationen des Vortrags hat das megafon eine fiktive (Instruktions-)Geschichte zu geglückter Medienarbeit gebastelt.

Kontaktaufnahme mit Medienschaffenden

Du gehörst der Gruppe «Vorgarten Eden» an. Ihr plant, das Gartenparadies eines bekannten Rechtsaussenpolitikers «T. F.» zu besetzen. In deiner Gruppe bist du für die Medienarbeit zuständig, deshalb hast du dich im Vorfeld mit der besten Praxis im Umgang mit Journalist*innen beschäftigt. Ein Freund hat dir mitgeteilt, dass er eine Journalistin bei einer Berner Tageszeitung kennt, die sich für dein Anliegen interessieren könnte. Er hat dir auch gesteckt, dass sich diese Journalistin über eine Kontaktaufnahme freuen würde, da sie die Story als Erste bringen möchte. Du meldest dich zwei Wochen vor der Aktion bei ihr und teilst mit, dass ihr eine Aktion plant, die Öffentlichkeit generieren wird und du Freude hättest, ihr im Vorfeld einige Fragen zu beantworten. Journalist*innen sind dir dankbar, wenn sie früh genug – am liebsten exklusiv – einbezogen werden, so haben sie am Tag der Aktion schon eine Story bereit. Sie stehen nämlich unter Zeitdruck. In dem Mail teilst du der Journalistin auch deine Kontaktdaten mit. Da deine Gruppe und du Repression befürchten, meldest du überdies an, dass du im Zeitungsbericht unter einem Pseudonym erscheinen willst. Aus Sicht von Journalist*innen sind Stories relevanter, wenn sie mit Foto und Klarnamen erscheinen – unter guten Begründungen kann dies jedoch verwehrt werden.

Das Interview

Noch am selben Tag antwortet dir die Journalistin. Ja, sie hätte Lust auf ein Treffen! Ihr verabredet euch in der darauffolgenden Woche zu zweit. Für Journalist*innen ist es deutlich angenehmer, nur eine Ansprechperson zu haben, anstelle das Gespräch mit einem Kollektiv zu führen. Um trotzdem die Haltung des Kollektivs zu vertreten, habt ihr wichtige Grundsätze zuvor an einer Sitzung geklärt. Du verzichtest bei deinen Aussagen auf den Weichspüler, deine Zitate sollen knackig und pointiert sein. Die Journalistin ist dir sympathisch, du plauderst auch bisschen mit ihr über die Planung der Aktion, vermittelst ihr aber deutlich, dass solche Informationen «off the record» seien. Medienschaffende halten sich normalerweise an solche Abmachungen. Du bittest die Journalistin am Ende des Gesprächs, dir deine Zitate zur Autorisierung zuzusenden. Den ganzen Text wirst du nur in den seltensten Fällen bekommen, im Gegenteil: Du machst dich mit solchen Anfragen eher unsympathisch, da der ganze Text der journalistischen Freiheit entspringt.

Die Zitate

Du erhältst die Zitate zwei Tage vor der Aktion. Du merkst, dass die Journalistin gut mitgeschrieben hat. Inhaltlich bist du mit allem zufrieden, deshalb bestätigst du ihr die Zitate. Eine Aussage scheint dir hölzern und unschön, dennoch meldest du keine Änderung, da stilistische Anpassungen beim Zitate-Autorisieren pingelig und kontrollierend wirken.

Die letzten Vorbereitungen

Vor der Aktion verfasst du eine Medienmitteilung, die beim Start der Aktion per Mail an alle Medienschaffenden verschickt wird, die die Story bringen könnten. Schon im Betreff machst du klar, dass es sich um eine relevante und aktuelle Geschichte handelt, da sie sonst in den überfüllten Posteingängen der Journalist*innen untergehen könnte. Die Mitteilung ist im Mailtext selber und nicht als Anhang, auch so wird die Wahrscheinlichkeit, dass sie gelesen wird, grösser. Der erste Absatz beantwortet alle W-Fragen zur Aktion (Wer, was, wo, weshalb, wann etc). Erst im zweiten gibst du Infos zu den Hintergründen. Beachte, dass deine Argumentation hier nicht zu schwurbelig wird, sondern klare, nachvollziehbare Zusammenhänge knackig aufzeigt. Am Schluss gibst du eine Kontakt-Telefonnummer an, damit dich die Journalist*innen während der Aktion erreichen können.

Vorgarten Eden

Deine Gruppe besetzt den Vorgarten und provoziert den Rechtspopulisten, der sich auf dem Balkon stehend rot verfärbt mit Schimpftiraden übertrifft und mit einem Luftgewehr herumfuchtelt. Alles läuft nach Plan. Du stehst etwas abseits, beim Gartentor, und beantwortest angereisten Journalist* innen Fragen zur Aktion. Durch die Distanz hältst du dir die Möglichkeit offen, bei einer Räumung immer noch für Antworten zur Verfügung zu stehen und Entgleisungen der Polizei öffentlich zu machen. Der Medienspiegel fällt nicht ausschliesslich positiv aus. Eine rot-gelayoutete Boulevardzeitung meldet «Wohlstandskiddies im Schützenpräsidentengarten». Auch diese Zitate hast du autorisiert, weshalb im Text auch deine Meinung deutlich wird. Die öffentliche Sympathie ist auf eurer Seite, da euch die vermittelten Hintergrundinformationen greifbar machen. Am Ende verläuft alles glimpflich, ihr räumt den Garten wieder und macht euch aus dem Staub. Medial habt ihr noch zwei Tage lang Nachhall.