Rap Text: xarg | Bild: daf

«Wir machen einfach unser Ding»

Wir trafen uns in der Länggasse mit den vier jungen Berner Rappern Moro, Walter Nice, Kater Karlo und Naga. Zum abgemachten Interview erschienen sie in Begleitung von zwei Freunden und tranken während des Gesprächs fleissig Kräuterschnaps mit Coca-Cola.

m*: Warum rappt ihr?

Walter Nice: Ich hatte schon immer eine sehr grosse Faszination für Rapmusik und habe auch schon immer Rap gehört. Die Idee, selber zu rappen, ist dann irgendwann aufgekommen. Schon früh haben wir davon geredet, dass wir gerne mal ein Album aufnehmen würden.

Kater Karlo: Ich war früher sehr fasziniert von Deutschrap und bin mit Aggro-Berlin aufgewachsen. Irgendwann sagte ich mir «Wieso nicht? Probiers doch mal aus.»

Naga: Mit sechzehn haben wir angefangen zusammen rumzuhängen. Wir haben ein bisschen zusammen «geblazed », gechillt und haben zusammen die ersten Rapversuche gewagt. Das war zum Teil ziemlich scheisse, was wir da von uns gegeben haben.

Moro: Angefangen zu rappen habe ich eigentlich nur, weil es Spass macht. Ich habe nie überlegt, irgendwelche Auftritte zu machen oder etwas zu veröffentlichen. Sondern zuerst für mich und für die Jungs im Pärkli gerappt. Wenn es sonst irgendwen interessierte, dann um so besser.

m*: In vielen eurer Texte spielen Orte in der Länggasse eine zentrale Rolle. Was habt ihr für eine Bindung zu diesem Quartier?

KK: Alle von uns sind in der Länggasse auf die Welt gekommen, weil die Frauenklinik hier war. Jetzt ist das nur noch eine «schmüdige» Uni. (lacht) N: Die Länggasse im Allgemeinen und auch das Pärkli sind Kult-Orte.

M: Das «Pärkli» ist der einzige Freiraum, den wir in der Länggasse noch haben. Deshalb wird er auch so intensiv genutzt. Wir haben uns auch für das «Pärkli» eingesetzt; wir waren zum Beispiel an einem Podiumsgespräch mit Anwohner* innen.

m*: Stellt ihr in «eurem» Quartier, der Länggasse, Veränderungen fest und wenn ja, wie reagiert ihr auf diese? Gibt es Orte, die früher mal genutzt wurden und jetzt nicht mehr?

WN: Ich glaube, man bekommt das nicht so mit. Natürlich gibt es Gentrifi zierung und es müssen Menschen wegziehen. Ich weiss das aber mehr aus Erzählungen von Bekannten und weniger aus eigener Erfahrung. Es wird gesagt, die Länggasse sei früher viel durchmischter gewesen und mittlerweile fändest du hier fast nur noch Kinder von Akademikern.

m*: Ihr rappt noch nicht allzu lange. Wie ist es, als junge Berner Rapper im «Rapkuchen» bzw. in der Rap-Szene in Bern Fuss zu fassen?

WN: Wir machen uns eigentlich nicht so viele Gedanken zur Szene. Es interessiert uns nicht allzu fest, was andere Rapper*innen von uns denken könnten. Man kennt sich aber trotzdem. Vor der Reitschule treffe ich zum Beispiel öfters Migo und rede mit ihm über Rap. Ich kenne ihn aber auch schon aus Zeiten, in denen ich noch nicht gerappt habe. Ich habe nicht wirklich neue Menschen kennen gelernt, nur wegen des Raps. Man kennt sich halt sowieso in Bern.

m*: Ihr hattet auch einen Auftritt mit Migo und der Chaostruppe in der «Turnhalle Sägegasse» in Burgdorf. Wie war das?

WN: Ja genau, auch mit den Juno-Boys hatten wir einen Gig. Das war sehr sympathisch.

KK: Es kamen im Anschluss auch viele positive Feedbacks von den anderen Künstler*innen. Da ist viel Sympathie. Das macht es auf jeden Fall einfacher, als wenn nach dem Auftritt jemand kommt und sagt, das war «richtig whack». Da würdest du dir als Newcomer denken «Scheisse, ich lass das besser sein».

N: Am Anfang wirst du als junger Rapper ins kalte Wasser geworfen, du betrittst ein neues Terrain und weisst nicht, ob nach der Veröffentlichung über dich gelacht oder gespottet wird – du hast keine Ahnung, wie die Resonanz sein wird. Erst mit der Zeit merkt man dann «Ah, es geht was.»

m*: Walter Nice, du hattest im Januar einen Auftritt im «Rössli» gegen das neue Berner Polizeigesetz. Inwiefern ist es euch allen wichtig, mit eurer Musik auch politisch etwas zu bewirken?

WN: Politische Inhalte in Texten haben für mich schon eine gewisse Bedeutung, jedoch keineswegs Priorität. Priorität liegt bei meiner Person. Ich erzähle in Texten von dem, was mich interessiert, von den Menschen, die mich umgeben. Ich berichte in Texten von mir und meinem Alltag. Ein Teil davon ist sicher auch das Politische, deshalb kommt das auch zur Sprache. Ich versuche aber nicht krampfhaft politische Inhalte in meine Musik zu integrieren. Ich weiss aber auch, dass eigentlich alles politisch ist. Wenn wir darüber rappen, wie wir uns am Wochenende die «Kante geben », Party machen und Drogen konsumieren oder über das «Pärkli» rappen, wo uns irgendwelche Menschen aus dem Quartier nicht mehr haben wollen, ist das auch politisch. Man kann nicht-explizit-politische Songs machen, die aber implizit eine hochpolitische Message haben.

N: Ich habe das Gefühl, es kommt auch auf den einzelnen Künstler an. Wir sind eine bunt durchmischte Gruppe, deshalb haben wir auch das Potential, nicht nur politischen Rap zu machen.

m*: Walter Nice, du hast vor zwei Jahren, am 1. Mai 2017, mit Rusty und Cartman «Für Jegi gäge Bulle» veröffentlicht. Was passierte seither rapmässig bei dir?

WN: Zu FJGB: Das ist ein Album, das man sicher nicht zu ernst nehmen darf. Als wir mit FJGB angefangen haben, waren wir nicht viel älter als sechzehn und die Arbeit daran dauerte an, bis wir zwanzig waren und das Tape herausgegeben haben. Die ersten Texte dafür habe ich aber mit sechzehn, siebzehn geschrieben. Wir haben das damals einfach lustig und nice gefunden, Bullen zu beleidigen.

m*: Auf dem Track «Pionierarbeit» vom Tape «Am Rad dräit» sagst du «Schaut dr chopf a, lah dr Bullehass getrost la ga». Wie stehst du heute zu FJGB?

WN: Ich finde das Tape auch heute noch sehr lustig. Es stört mich aber schon, dass vieles darauf gewaltverherrlichend ist. Ich bin kein gewalttätiger Mensch und finde diesen Aspekt des Tapes auch nicht wirklich gut. Auf FJGB war die Message ganz klar: «Bullen sind unsere Feinde, macht alles was ihr wollt mit denen». Heute denke ich, dass solche Messages nicht wirklich zielführend sind. Es gibt heute immer noch Vieles, was mich aufregt an der Welt. Es bringt aber weder mich noch die Gesellschaft weiter, wenn ich deswegen anfange zu randalieren. Besser schalte ich meinen Kopf ein und überlege mir etwas, was zielführender ist.

m*: Zu deinem zweiten Tape «Am Rad dräit». Die ersten paar Tracks sind eher düster und resigniert, dann hellt die Stimmung auf. Hat das Konzept?

WN: Ich steckte während der Arbeit an «Am Rad dräit» im Gymnasium fest und habe das so halbbatzig geschafft. Ich fühlte mich in der Zeit, in der ich die Texte schrieb, nicht wirklich gut. Ich musste noch ein Jahr wiederholen und hatte das Gefühl «Eigentlich mache ich gar nichts in meinem Leben». Dann habe ich angefangen zu rappen und das war etwas, das «meines» war und das mich auch «gepusht» hat. Das war wie ein Schritt aus der Ohnmacht und aus der Depression hinaus. Etwas zu kreieren, das nur dir gehört, etwas, das dir selbst entspricht. Diese Gefühle werden auch in den ersten drei Songs wiedergegeben, eine Stagnation irgendwie, alles ist so abgefuckt und macht dich fertig – im Grossen und im Kleinen, auf politischer Ebene und auch auf einer ganz persönlichen. Das Tape endet dann mit dem Track «Bitträ Änd», der erzählt davon, dass ich jetzt einfach mein Ding mache.

m*: Kater Karlo und Moro, ihr habt «Im Turban auf Ballantines» auf Soundcloud veröffentlicht. Ein unterhaltsames Tape, viel Drogen, Alkohol, Sprayen, «Representen». Wie war es für euch, dieses Tape aufzunehmen?

M: Angefangen hat das Ganze damit, dass ich Kater Karlo vor dem Unimarkt getroffen habe. Es hat geregnet und deshalb waren wir nicht im «Pärkli». Wir wussten beide nicht voneinander, dass wir rappen. Wir haben uns dann gegenseitig unser Zeug gezeigt und sind später auf die Idee gekommen, gemeinsam ein Tape zu machen. Die ersten Aufnahmen entstanden auf seinem Macbook, anfangs noch ohne Mikrofon und nur mit Headset. Qualitativ war das natürlich nichts wert, deshalb haben wir die Songs damals auch nicht veröffentlicht. Später hatten wir dann die Booth.

KK: Der Name des Tapes hängt mit Klischees und Vorurteilen gegenüber unseren Wurzeln zusammen. Er ist Araber und ich Tamile, deshalb haben wir zuerst gedacht, wir nennen das Tape «Hummus und Ballantines», weil Tamilen angeblich gerne Whisky trinken und wir hier in der Länggasse ziemliche Ballantines-Fanatiker sind. Das klang uns dann aber zu sehr nach einem Kochrezept, deshalb nannten wir es dann «Im Turban auf Ballantines».

m*: An was für Projekten arbeitet ihr im Moment bzw. was wird in nächster Zeit von euch kommen? N: Ich und Walter bringen das Mixtape «Ikarus», inshallah, sehr bald.

WN: Mein Mixtape «Pärkliparadies» kommt jetzt dann im April/Mai. Das ist fertig abgemischt und muss noch gemastert werden. Wir würden auch gerne einen Sampler machen, auf dem wir alle vertreten sind. Wir halten uns eigentlich die ganze Zeit im Studio auf und schreiben.

KK: Moros Solotape kommt auch noch

M: Und «Im Turban uf Ballantines 2»

m*: Sonst noch was?

M: Don’t do drugs, kids.

Walter Nice: https://soundcloud.com/user-303793773 www.walternice.ch

Kater Karlo: https://soundcloud.com/katerkarlo3012